Weltraumforschung auf der Erde – mit Vakuumtechnologie

 

An der JLU Gießen werden neue Satellitenantriebe für ihren Einsatz im All getestet

Bevor Satelliten ins All geschossen werden oder eine Weltraummission startet, müssen zahlreiche Tests durchgeführt werden. Diese Tests dienen dazu, die einwandfreie Funktion der Ausrüstung im Weltraum zu prüfen und sicherzustellen, und sind auf der Erde nur mit Vakuumtechnologie realisierbar. Seit den 1960er Jahren findet an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) Weltraumforschung statt und die Vakuumtechnologie von Pfeiffer Vacuum war von Beginn an mit dabei. In der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Peter J. Klar, dem Geschäftsführenden Direktor des I. Physikalischen Instituts der JLU, testen heute Industriepartner und Weltraumagenturen ihre Triebwerke unter Weltraumbedingungen.

Ionentriebwerke:
Von einer Spielerei zur zukunftsweisenden Technologie
Vor „New Space“ wurden elektrische Raumfahrtantriebe von der Industrie noch als technische Spielerei angesehen, die vielleicht einmal bei einer wissenschaftlichen Mission eingesetzt werden könnte. So war das Feld der universitären Forschung überlassen und die Industrie mit mehr oder weniger finanziellem Engagement dabei. Elektrische Raumfahrtantriebe werden heute als „Game Changer“ angesehen, weil sie ganz andere Missionen im Weltraum ermöglichen als rein chemische Antriebe.

Am I. Physikalischen Institut in Gießen stehen viele große Versuchsanlagen für die Materialforschung und Raumfahrtphysik. Unter anderem werden große Vakuumkammern betrieben, in denen Ionentrieb- werke im Betrieb untersucht werden können. Es handelt sich um sogenannte Weltraumsimulationsanlagen. In den Kammern wird ein Vakuum erzeugt und die Antriebe werden darin sowohl getestet als auch vermessen.

Prof. Peter J. Klar erklärt: „Traditionell befasst sich die Arbeitsgruppe Ionentriebwerke hauptsächlich mit der Entwicklung elektrischer Raumfahrtantriebe, insbesondere des vom Gießener Physiker Prof. Dr. Horst Löb erfundenen Radiofrequenz-Ionentriebwerks (RIT). Es gibt verschiedene Typen von elektrischen Raumfahrtantrieben. Bei den von Prof. Löb in den 1960ern entwickelten RIT-Triebwerken wird in einem halbsphärischen Entladungsgefäß aus dem gasförmigen Treibstoff ein Plasma gezündet. Die Entladungskammer ist auf der offenen Seite durch ein Gittersystem vom Weltraum abgegrenzt. Geladene Treibstoffionen werden im Triebwerksbetrieb aus dem Plasma durch das zwischen den Gittern angelegte elektrische Feld vom Triebwerk weg beschleunigt und generieren so nach dem Rückstoßprinzip den Schub. Damit sich das Raumfahrzeug nicht elektrisch auflädt, muss der positiv geladene Triebwerksstrahl mit Elektronen neutralisiert werden. In den Pionierzeiten wurde Quecksilberdampf als Treibstoff verwendet, heute vor allen Dingen das Edelgas Xenon. Da dieses aber eine knappe Ressource ist, wird aktiv nach Alternativen gesucht.“

Grundprinzip eines Radiofrequenz-Ionentriebwerks.
Grundprinzip eines Radiofrequenz- (oder Hochfrequenz-) Ionentriebwerks.

Die Entwicklung neuer Testanlagen steht im Fokus
Die Weltraumforschung an der JLU ist bestrebt, standardisierte Testverfahren zu entwickeln. „Mit der Kommerzialisierung der Technologie ändern sich auch die Aufgaben der universitären Gruppen. Wir können und wollen nicht nach ISO 9000 zertifizierte Triebwerke in großer Zahl bauen. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Entwicklung neuer Testanlagen, da kommt auch die Vakuumtechnik hinzu“, so Prof. Klar. „Des Weiteren fokussieren wir uns auf Konzepte für bessere Triebwerksdiagnostik und neuartige miniaturisierte Triebwerke für Kleinstsatelliten. Solche Triebwerke stellen wir mit Methoden der Mikro- und Nanostrukturierung her.“

Insbesondere baut die JLU aktuell neue, in Deutschland einzigartige Testanlagen zur Untersuchung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) von elektrischen Raumfahrtantriebssystemen auf. Dort wird untersucht, ob das Triebwerk im Betrieb elektromagnetische Strahlung abgibt, die andere Elektronik stören könnte. Das Phänomen ist vergleichbar mit dem gestörten Empfang eines Analog-Radios im Auto, fährt man an Hochspannungsleitungen vorbei. „Diese Untersuchungen sind immens wichtig, wenn man Satelliten mit solchen Triebwerken betreiben will, denn Störungen dieser Art können schlimmstenfalls zum Komplettverlust des Satelliten führen“, erklärt Prof. Klar. Die zugehörigen EMV-Testanlagen müssen ganz anders aufgebaut sein als EMV-Messplätze für normale Elektronik.

Da die Triebwerke zum Betrieb Weltraumbedingungen, also Vakuum, benötigen, muss entweder die EMV-Messung im Vakuumtank selbst durchgeführt werden oder ein Vakuumtank muss in die abgeschirmte EMV-Messkabine hineinragen.

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